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Gleismannsbahnhof.Gleis 12.H.H.-A.

Gleis 12.6.0 - Signalvorschriften bei der HHA - ein Artikel von I. Rosenthal, Lübeck

Einführung

An Hand älterer Fotos und alter Fahrdienstvorschriften und durch das Wälzen städtischer Archive der Stadt Lübeck, konnte ich interessante Kenntnisse erlangen, die sich beim Betrachten alter Fotos der "LBE-Lübeck Büchener Eisenbahn" nicht sofort erschließen und beim oberflächlichen Betrachten oft fehlinterpretiert wurden. Die Hinweise sind aber auf den wenigen Originalfotos im Detail erkennbar.

Allgemeines

In der "S.O. = Signalordnung", "EBO = Eisenbahnbau- und Betriebsordnung" und der "MBO = Militärbahnordnung" wird nur zwischen Haupt- und Nebenbahnen unterschieden, nicht zwischen staatlichen oder privaten Eisenbahngesellschaften. Die Definition, ob eine Haupt- oder Nebenbahn staatlich, teilstaatlich oder privat betrieben wird, wurde in zusätzlichen Gesetzen geregelt.

Die Signalvorschriften galten seit 1875 in der jeweiligen Ausgabe für alle Eisenbahngesellschaften im deutschen Reichsgebiet. Ausnahmeregelungen waren nur bei Nebenbahnen gestattet.

Grundlegend gilt aber, daß die vom Bundesrat der Reichsregierung erlassenen Regelwerke für alle Eisenbahnunternehmen gelten, welche sich im Inland befinden. Hierzu zählen auch die Kolonialgebiete. Bei letzteren waren die Staatsbahnen als Hauptbahnen und die Privatbahnen als Nebenbahnen klassifiziert worden. Es ist aber davon auszugehen, daß aber auch im übrigen Reichsgebiet die Staatsbahnen als Hauptbahnen und die Privatbahnen als Nebenbahnen gezählt wurden.

Für viele Nebenbahnen sind Sonderregelungen zulässig, ungeachtet der Tatsache, ob sie über ein eigenes, getrenntes Streckennetz verfügen oder nicht. Um einer möglichen Verstaatlichung zu entgehen, haben viele Privatbahnen bzw. Nebenbahnen die "S.O." der Hauptbahnen umgesetzt und sich freiwillig den umfangreicheren Vorschriften unterworfen.

Die Situation bei der Hamburger Hochbahn

Die Hamburger Hochbahn unterlag als privates Eisenbahnunternehmen ebenso der staatlichen Aufsicht wie andere als Nebenbahnen klassifizierten Bahnstrecken, welche in privater Hand Transportleistungen anboten. Die Signale durften zwar abweichend zu denen der staatlichen Hauptbahnen sein, jedoch wurden seit der Gesellschaftsgründung das Signalwesen der Staatsbahn übernommen. Die Signale der Hamburger Hochbahn spiegeln die letzten Änderungen der "S.O." von 1910 wider bzw. dessen Neuauflage von 1912. Im gesamten Streckennetz der Hochbahn wurde zu Anfang zweigleisig gefahren. Die eingleisige Reduktion der "Walddörferbahn" zwischen "Volksdorf" und "Großhansdorf" erfolgte während deren Elektrifizierung im Ersten Weltkrieg, einhergehend mit der dabei auftretenden Materialverknappung an zur Verfügung stehenden Stromschienen.

Gemäß der in der "S.O." geduldeten Sondergenehmigung für Nebenbahnen, wurde der Großhansdorfer Ast der "Walddörferbahn" als Nebenbahn betrieben. Folglich konnte auf die, für eingleisig betriebene Streckenführung vorgeschriebene Signalisierung der Beleuchtungseinrichtungen der Triebfahrzeuge verzichtet werden. Die bei der DB im Jahr 1954 eingeführte Dreilichtbeleuchtung existierte bereits seit 1875 für eingleisige Strecken. Die dritte Laterne hatte aber eine andere Bedeutung als heutzutage. Mit ihr wurden Zugfolgefahrten oder Streckenstörungen signalisiert. Bei der Hochbahn ist dieses aber nicht notwendig, weil auch das vom Staatsbahnnetz getrennte Streckennetz viel kleiner ist. Für Zugfolgefahrten sind die Blockabschnitte zu kurz, und bei den Haltebahnhöfen im eingleisigen Abschnitt, wo sich ein zweites Gleis befindet, langt der Platz nicht aus, mögliche Folgezüge mit ausweichen zu lassen.

Durch die Selbstblockung der Abschnitte durch die Triebfahrzeuge werden auch Streckenstörungen sehr frühzeitig an die Stellwerke übermittelt.

Viel interessanter sind aber die bei der Hochbahn verwendeten Signale. Im Gegensatz zu den Blocksignalen der Staatsbahnen werden bei Stadtbahnen verkürzte Blockabschnitte verwendet, dafür aber wesentlich mehr als bei Fernbahnstrecken. Bei letzteren beträgt der Abstand zwischen zwei Blöcken mehrere Kilometer und der Abstand zwischen dem Vor- und dem Hauptsignal im Regelfall 1.000 m. Bei der Fernbahn wird mit zwei oder drei Sperrblöcken gefahren, einem Achtungsblock und zwei "Fahrt-frei-Blöcken" zwischen zwei Zügen.

Bei der Hochbahn und der S-Bahn wäre das schon wegen der Stationsdichte nicht möglich. Bei der Hochbahn wird meines Wissens mit einem oder zwei Sperrblöcken gefahren. Die Induktionsfußangel beim Überfahren Halt zeigender Signale, gab es meines Wissens bei der Hochbahn schon vor hundert Jahren, also wesentlich früher als bei den Fernbahnen. Selbst die DB-Behörde hatte auf vielen Bahnstrecken erhöhten Nachholbedarf bis in die 1990er Jahre.

Blocksignale von Stadtbahnen zeigen nur kurze Zeit "Halt" an und melden wieder "Fahrt frei", wenn der voranfahrende Zug weit genug entfernt ist. Blocksignale der Fernbahn hingegen müssen erst vom zugehörigen Stellwerk in "Fahrt frei" gestellt werden und zeigen überwiegend "Halt" an.

Zwei- und dreiflügelige Signale

Zweiflügelige Formsignale bedeuten bei beiden Flügeln auf Fahrtstellung, daß eine Weiche befahren wird, wo vom Hauptfahrweg abgewichen wird. Das Überfahren der Weiche ist mit 40 km/h zulässig; eine spätere Änderung erlaubte das Überfahren mit maximal 60 km/h. Die dreiflügeligen Signale standen nur dort, wo über mindestens zwei Weichen auf einen abzweigenden Ast gefahren wurde. Wurde nur eine Weiche auf dem abzweigenden Ast befahren, wurden nur die beiden oberen Flügel benötigt, bei der Geradeausfahrt dann nur der oberste Flügel.

Dreiflügelige Formsignale mit allen Flügeln auf Fahrtstellung bedeuten, das mindestens zwei auf abzweigenden Ast gestellte Weichen überfahren werden, die maximale Geschwindigkeit ist auf 40 km/h begrenzt. Beispiel: doppelte Gleisverbindung beim Gleiswechsel, "Volksdorf" Ausfahrt von Gleis 2 in Richtung Innenstadt oder "Barmbek" oder andere mehrgleisige Bahnhöfe, wo Gleiswechsel im Betriebsablauf notwendig sind.

Ruhe-Halt-Signale ("HpRu-Stellung")

Mehrbegriffige Formsignale mit dem Signalbegriff "Hp Ru", letzterer bisher nur aus Bayern bekannt, gab es im gesamten Reichsgebiet und auch bei der Hochbahn1). Eine alte Dienstanweisung besagt, daß der Publikumsverkehr einzustellen ist, wenn sich Schienenfahrzeuge am Bahnsteig bewegen oder der Bahnverker zu ruhen hat, wenn sich Publikum auf den Bahnsteigen befindet.

Als Publikum wurden alle nicht mit dienstlichen Aufgaben betraute Personen bezeichnet, welche keine Unterweisung in die betrieblichen Gefahren hatten. Hielt ein Zug am Bahnsteig, wurde der Bahnbetrieb an diesem Bahnsteig eingestellt und das mit dem nach unten geklappten Signalflügel und einer blauen Nachtleuchte signalisiert.

Bis 1937 hatten die Eisenbahngesellschaften Sorge zu tragen, daß nur dann Publikum sich auf dem Bahnsteig oder in Ladezonen aufhielt, wenn zuvor der Bahnverkehr auf diesem Gleis eingestellt wurde, also in Ruheposition gebracht wurde. Der Bahnverkehr durfte erst wieder aufgenommen werden, wenn das Publikum den Bahnsteig oder die Ladezone verlassen hatte.

Bei der Hochbahn galt eine davon abweichende Gesetzeslage, weil die Hochbahn damals als Schaustellerbetrieb2) geführt wurde, wobei auch Publikum auf dem Bahnsteig zulässig war. Mit dem Erwerb einer Bahnsteigkarte oder Fahrkarte trat man die sonst üblichen Rechte an die Hochbahn ab und unterwarf sich deren Gepflogenheiten ... heutzutage würde man so etwas als "AGBs" bezeichnen.

Die "HpRu-Stellung" betraf aber auch nur Signale an eingleisig betriebenen oder mehrgleisigen Bahnstrecken, wo es durch den Aufstellungsort der Signale zu Verwechselungen kommen könnte, und für Bahnsteiggleise bei Fernbahnen.

Bei manchen Länderbahnen bis 1919 war es durchaus üblich, auch die Signalflügel der Gegenrichtung am selben Mast zu befestigen. Folglich mußte der Bahnverkehr von der Seite eingestellt werden, wenn von anderen Seite Verkehr stattfand.

Die Signalstellungen

Es gibt Unterschiede in den Signalbildern der Beleuchtung vor und nach 1910, auch so bei der Hochbahn, welche die Staatsbahnsignale übernommen hatte, die für Hauptbahnen relevant waren. Die Kennfarben der Signalbeleuchtungen existieren erst seit 1910.

Vor 1910:

  • Hp0 - rot: Halt!
  • Hp1 - weiß: Ausfahrt / grün: Einfahrt
  • HpRu - blau

HpRu gab es nur bei ungekoppelten mehrbegriffigen Signalen ab einem Signalflügel, bei mehrflügeligen Signalen nur am obersten Signalflügel. Der oberste Flügel zeigte in Ruhestellung senkrecht nach unten, das Nachtzeichen war eine blaue Signalblende.

Bei mehrflügeligen Signalen:

  • Hp2 - weiß: Ausfahrt / grün: Einfahrt
  • Hp3 - weiß: Ausfahrt / grün: Einfahrt
Das grüne Licht an Einfahrtsignalen bedeutet, daß hinter diesem Signal an der Haltetafel gehalten werden muß, es sei denn, das Ausfahrtsignal erlaubt die Durchfahrt.

Bei Vorsignalen:

  • Vr0 - grün: Halt erwarten
  • Vr1 - weiß: Fahrt frei erwarten

Ab 1910:

  • Hp0 - rot: Halt!
  • Hp1 - grün
  • HpRu - blau

Bei mehrflügeligen Signalen:

  • Hp2 - orange3)
  • Hp3 - orange
Hp3 wird gegeben, wenn zwei oder mehr Weichen auf abzweigendem Ast befahren werden, dabei sind maximal 40 km/h erlaubt.

© I. Rosenthal, Lübeck


Anmerkungen von Gleismann

1): Ich habe noch keine Fotos von Signalen bei der Hochbahn gesehen, bei denen Hp Ru angezeigt werden kann. Die Signale der Haltestellen "Kellinghusenstraße" und "Barmbe(c)k", deren Fotos mir vorliegen (immerhin zwei der größten Betriebsstellen der damaligen Hochbahn), hatten in den ersten Betriebsjahren jedenfalls keine Möglichkeit, Hp Ru zu zeigen.

2): Ich bin mir nicht sicher, ob die HHA als Schaustellerbetrieb geführt wurde. Der "VVM" am Schönberger Strand hingegen ist als Schaustellerbetrieb firmiert.

3): Das orangefarbene Licht wurde bei der DB erst 1948 eingeführt und wahrscheinlich auch dann erst bei der Hochbahn.

Leider ließen sich diese Ungereimtheiten bislang nicht ausräumen. Vielleicht weiß ein Leser Genaueres?


Vielen Dank an I. Rosenthal für die ausführlichen Erläuterungen!

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Erstellt seit dem: 06*04*2020
Online seit dem: 27*03*2023
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