Im Fahrzeuglabor des Gebäudes "C" (Fachbereich "Fahrzeugtechnik + Flugzeugbau") der "Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg" ("HAW Hamburg") am Campus "Berliner Tor" gibt es Gleise mit 1.435 mm Spurweite, die einfach "so da" sind! Das bedeutet, daß es sie gibt, sie aber noch nie genutzt wurden. Das liegt an der besonderen Lage des Gebäudes.
In den 1970er Jahren sollte dieses Gebäude wahrscheinlich in der City Nord gebaut werden, vermutlich irgendwo am östlichen "Überseering". Die Gleise im Labor waren zu der Zeit schon vorgesehen; sie sollten vermutlich mittels einer neu zubauenden Verbindungskurve an den damals noch bestehenden nördlichen Teil des Güterbahnhofs Barmbek angeschlossen werden. So hätte wohl die Möglichkeit bestanden, bei der "HAW Hamburg" Schienenfahrzeuge zu entwickeln und sie dann auf dem Schienennetz der "DB" zu testen. Aus irgendeinem Grund wurde das Gebäude dann jedoch am Berliner Tor gebaut, ohne an den Bauplänen etwas zu ändern; das heißt, die Schienen wurden trotz fehlender Anbindungsmöglichkeit im Labor verlegt.
Das Gebäude wurde an der östlichen Seite der Straße "Berliner Tor" inmitten anderer, zum Teil bereits bestehender Gebäude, errichtet. Die eventuelle Schienenanbindung hätte sich hier schwierig gestaltet, da das verbindende Gleis einen großen Bogen zur Bahnstrecke Hauptbahnhof - Berliner Tor hätte machen müssen. Da die Fernbahn mehrere Meter über der Straßenoberfläche liegt, hätte zudem noch eine Rampe errichtet werden müssen. Ein "Bindeglied" zwischen dem Labor und der Fernbahn wie etwa ein Güterbahnhof, wie er in Barmbek vorhanden war, ist hier nicht vorhanden. Der ausschlaggebende Punkt für die fehlende Schienenanbindung ist aber wohl die Tatsache, daß sich direkt westlich neben dem Fahrzeuglabor ein denkmalgeschütztes Gebäude befindet, das nicht verändert werden darf und somit "im Weg" steht. So unterblieb letztlich die Anbindung der Gleise an die Außenwelt. Eine Drehung des Gebäudes um 180° hätte vielleicht eine Anbindung ermöglicht, allerdings wären dann die Strecken der U - und S - Bahn, etwa an der "Wallstraßenbrücke", zu queren gewesen. Am wahrscheinlichsten ist aber, daß hier nie ein Gleisanschluß vorgesehen war.
Unmaßstäbliche Skizze der Lage der Gleise im Fahrzeuglabor der HAW Hamburg.
Das Fahrzeuglabor ist eine lange rechteckige Halle mit einer hohen Decke. Unterhalb dieser Decke befinden sich Laufschienen, an der ein Hebekran an fast jeden Punkt in der Halle gefahren werden kann. Das Labor steht in ungefährer West - Ost - Richtung. Es ist mittels einer seitlichen Rampe für Straßenfahrzeuge erreichbar. Die kurze Gebäudewand am westlichen Ende ist, im Gegensatz zum Gebäude, das aus Beton besteht, in der Mitte gemauert, so daß hier eine Durchfahrtsmöglichkeit bestanden hätte, wenn man die Mauer durch ein Tor ersetzt hätte.
Die Schienen liegen längs in der Halle, beginnend im Westen mit einem Gleis. Daran anschließend befindet sich eine einfache, handverstellbare Rechtsweiche, aus der sich zwei Gleise entwickeln, die dann parallel zur östlichen kurzen Gebäudeseite führen und dort enden. Das durchgehende Gleis besitzt einen massiven Prellbock mit zwei Federpuffern, während das Zweiggleis ohne Schutzvorrichtung direkt an der Wand endet. Kurz vor dem Prellbock befindet sich noch eine Untersuchungsgrube, die für Autos genutzt wird. Die gesamte Gleislänge ist mir nicht bekannt. Die beiden Parallelgleise sind jedoch für einen Schnellzugwagen theoretisch zu kurz.
Der Gleisbereich ist einbetoniert, während der restliche Hallenboden mit Fliesen ausgelegt ist. Der Bereich bei der Straßenzufahrt ist ebenfalls betoniert. Die Schienen sind als Rillenschienen ausgeführt. Die Rillen werden mittels einer Gummilippe verschlossen und vor hineinfallenden Gegenständen geschützt. Die Gummilippen wären dann durch die Spurkränze der Räder niedergedrückt worden. Der Schienenkopf ragt etwas über die Fußbodenebene hinaus, so daß zusammen mit der Gummilippe eine leichte Unebenheit besteht. Die gesamte Gleisanlage macht augenscheinlich nach über dreißig Jahren Bestehen noch einen guten und fast neuen Eindruck.
Da die Gleise keinen Anschluß nach draußen haben, wurden hier auch keine Fahrzeuge konstruiert. Lediglich ein Fahr- / Drehgestell gab es einige Zeit auf den Gleisen. Da es jedoch immer im Weg war, wurde es schließlich verschrottet. Leichte Rostspuren an den Federpuffern des Prellbocks legen die Vermutung nahe, daß dieses Gestell ebenfalls über Puffer verfügte.
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Fotos vom 29. Oktober 2008
Blick in das Fahrzeuglabor der "HAW Hamburg". Im Hintergrund ist die gemauerte westliche Wand zu erkennen, die im Fall einer Schienenanbindung durch ein Tor hätte ersetzt werden können. Rechts darüber befindet sich eine der orange - roten Laufschienen für den Hebekran. Auf dem Boden ist die Rechtsweiche zu sehen. Links befindet sich eine Empore und darunter Werkräume.
Der Prellbock des durchgehenden Gleises besteht aus massiven Beton und zwei Federpuffern. Zwischen den beiden Puffern befindet sich ein Winkeleisen, das zwei Bohrlöcher aufweist. Wahrscheinlich sollte darauf ein Gleisabschlußsignal "Sh 0" oder "Sh 2" angebracht werden. Eventuell ist der Prellbock deswegen so massiv, weil er Schutz vor ankommenden Rangierfahrten "von draußen" bieten sollte, die dann wohl auf dem durchgehenden Gleis stattgefunden hätten. - Das "Ausweichgleis" (hier nicht im Bild) hat interessanterweise keinen Prellbock, sondern endet ohne Schutz an der Gebäudewand.
Das Herzstück der Weiche von Nahem betrachtet. Gut zu erkennen sind die in den Schienenrillen verlegten Gummilippen.
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Einige Fragen haben sich mir im Nachhinein noch gestellt:
- Wann wurde das Gebäude gebaut?
- Warum entstand das Gebäude nicht in der City Nord, wenn das geplant war?
- Warum wurden die Schienen trotz fehlender Anbindung verlegt?
- Welche Art von Schienenfahrzeugen sollte im Labor entstehen oder getestet werden: Loks / Triebwagen, Personenwagen, Güterwagen oder einzelne Komponenten davon?
- Sollten die Fahrzeuge / Komponenten im Labor entstehen oder von außen ins Labor kommen und dort getestet werden?
- Wie sollten die Fahrzeuge im Labor verschoben werden: per Hand, per Spill, per Zweiwegefahrzeug oder durch eine andere Möglichkeit?
- Waren neben der Untersuchungsgrube und dem fahrbaren Hebekran weitere technische Hilfsmittel vorgesehen?
Vielen Dank an Stephan W. für den Tip und viele Infos, an Herrn B. Schröder und Herrn E. Reese für die freundliche Unterstützung und weitere Infos sowie an Frau Jeorgakopulos bei der Pressestelle der "HAW Hamburg" für die Genehmigung der Wiedergabe des Textes und der drei Fotos!
Zur Website der HAW Hamburg.
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