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Gleis 2.1: Die Entwicklung des Stadtteils Hammerbrook bis 1900 |
Der heutige Stadtteil Hammerbrook liegt südlich der Bahnstrecke Hamburg Hauptbahnhof - Berliner Tor (- Lübeck / Berlin) und ist ein Marschgelände im Mündungsgebiet der Bille, der dritte bedeutende Fluß für Hamburg neben der Elbe und der Alster. Die Bille ist allerdings neben den beiden anderen Flüssen eher unbekannt und wird allenfalls als Industriegewässer wahrgenommen. Es gab bisher auch keine Gedichte oder Essays über sie, so wie über die beiden anderen. Die Bille entspringt in der Nähe der Ortschaften "Lienau" und "Sirksfelde" im Landkreis Herzogtum Lauenburg. Weiterhin werden Trittau, Aumühle, Reinbek und das Hamburgische Bergedorf von der Bille erreicht. Bis hierhin ist der Flußlauf weitgehend sehr idyllisch. Das Bergedorfer Schloß, das einzige übrigens im gesamten Stadtgebiet von Hamburg, liegt direkt an der Bille. Hinter Bergedorf durchfließt die Bille das Gebiet zwischen Lohbrügge und der Bahnstrecke von Hamburg nach Bergedorf und wird spätestens nach der Unterquerung der Bundesautobahn "A 1" industriell genutzt. Die folgenden Hamburger Stadtteile tragen dann auch von der Bille geprägte Namen wie Billwerder, Billbrook oder Billstedt (früher "Schiffbek"). Danach folgen noch Billwerder Ausschlag und schließlich Hamm und Hammerbrook, wo die Bille dann die Elbe erreicht. Der Name "Hammerbrook" setzt sich aus "Hammer = zu Hamm gehörig" und "Brook = tiefgelegenes, feuchtes und morastiges Bruchland" zusammen. Es bezeichnete ursprünglich den westlichsten Teil der Marschniederung, die sich zwischen Bille und Geestkante vom Oberhafen bis über die Höhe von Horn hinaus erstreckte. Hammerbrook (früher auch "Hammer Brook" oder "Hammerbrok" geschrieben) war seinerzeit kein Hamburger Stadtteil, sondern gehörte dem Grafen Adolf von Schauenburg. Es wurde aus finanziellen Gründen 1383 an den Rat der Stadt Hamburg verkauft. 26 Jahre später kaufte Hamburg Hammerbrook nochmals, da sowohl der Herzog Gerhard von Schleswig als auch der Graf Nikolaus von Holstein trotz des damaligen Verkaufs noch berechtigte Ansprüche an dem Gebiet geltend machten. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts gehörte Hammerbrook der Landherrenschaft der Landherren von Hamm und Horn. 1525 gab es den ersten belegten Nachweis eines Weges, den 1865 offiziell so benannten "Ausschläger Weg". 1629 wurde Hammerbrook aus dem Bereich der Jakobikirche ausgepfarrt und dem Hospital der Gemeinde St. Georgs zugeteilt. Bis zu dieser Zeit diente das Gebiet hauptsächlich dem Durchgangsverkehr. 1662 wurde die Bastion Hammerbrook ("Neuenwerk" oder auch "Das Neue Werk" genannt) vollendet, die am ehemaligen "Retranchementgraben" lag (das ist heute das Hochwasserbassin) und 1808 wieder abgetragen. In den Jahren danach wurde Hammerbrook als Gartengelände genutzt und durch Privatwege erschlossen. Es gab bereits Kanäle zur Entwässerung, allerdings waren sie schmal und wurden keineswegs industriell genutzt, so wie das später mit den noch heute existierenden der Fall ist. Die Besiedelung des Inneren Hammerbrooks ab 1842Hammerbrook wurde ab 1842 infolge des Großen Brandes in Hamburg, bei dem zahlreiche Hamburger Bürger obdachlos wurden und eine neue Bleibe suchten, nach Plänen des englischen Ingenieurs William Lindley (1808 - 1900) sowie der Senatssyndici [("Syndicus" (lat.) = ein, von einer Körperschaft zur Besorgung ihrer Geschäfte bestellter, Bevollmächtigter / Rechtsbeistand")] Dr. Edward Banks (1795 - 1851), Dr. Wilhelm Amsinck (1793 - 1874) und des Senators Andreas Friedrich Spalding (1778 - 1859), ein Wohn- und Industriegebiet mit einem rechtwinkligen Netz von Straßen, Kanälen und Fleeten vorgesehen. Dieser Plan wurde am 1. September 1842 von Hamburg genehmigt. Aufmerksam auf das Hammerbrooker Gelände als Entwicklungsgebiet wurde man übrigens durch den Bau der Hamburg - Bergedorfer Eisenbahn ab 1839. Nach William Lindley, der den Wiederaufbau der Stadt nach dem Großen Brand von 1842 mitbestimmte, neben der Entwässerung des Hammerbrooks auch am Bau der Hamburg - Bergedorfer Eisenbahn beteiligt war, sich um die Versorgung Hamburgs mit Wasser und Gas verdient gemacht hatte und als technischer Konsulent bei der Baudeputation tätig war, wurde 1869 in Rothenburgsort die heutige "Lindleystraße" benannt. Die Herren Banks, Amsinck und Spalding wurden in Hammerbrook bereits 1842 mit der Benennung von Straßen geehrt, die es heute noch gibt ("Amsinckstraße", "Banksstraße" und "Spaldingstraße"). Als Konsequenz aus dem Großen Brand sollte Hammerbrook nicht so qualvoll eng werden wie die innere Bebauung Hamburgs. Das Gelände war sehr feucht und der höchste Punkt lag ursprünglich gerade einmal 1,5 Meter über dem mittleren Wasserspiegel der Elbe. Somit unterlag es dem Tidenhub, es war also trotz der vorhanden Deiche ("Stadtdeich", "Grüner Deich" und "Bullerdeich") der Gefahr der Überschwemmung ausgesetzt und somit nicht unbedingt für eine Bebauung geeignet. Daher mußte das Gelände erst entwässert und erhöht werden. Dazu wurden die vorhanden Kanäle auf etwa 20 Meter verbreitert. Zunächst waren das der "Norder-", der "Mittel-" und der "Südkanal"; gleichzeitig wurden die querverbindenden Kanäle "Lübecker Kanal" und das "Hochwasserbassin" gegraben, beziehungsweise erweitert. Das Gelände selbst wurde mit dem Trümmerschutt der Häuser, die bei dem Großen Brand zerstört wurden, erhöht. Bis 1840 lag die vorgeschriebene Straßenhöhe für Hammerbrook bei 4,90 Meter. Die ursprünglich vorgesehene Erhöhung auf 6,30 Meter reichte nach ersten Erfahrungen nicht aus, da bei Hochwasser die Kanäle die Wassermassen nicht aufnehmen konnten und somit die Straßen überschwemmt wurden. So wurde 1850 die vorgeschriebene Höhe auf 6,90 Meter erhöht. Die Höhe der Kellerfußböden mußten bei 5,15 Meter über Hamburger Null liegen. Bereits 1847 wurde die "Erste Hammerbrooker Schleuse" am "Schleusenkanal" in Verlängerung des "Mittelkanals" (am "Oberhafen") eingeweiht, 1887 dann die "Zweite Hammerbrooker Schleuse" am "Südkanal" (am "Deichhafen"), da die "Erste" den gestiegenen Schiffsverkehr nicht mehr bewältigen konnte. Zeitgleich mit der "Ersten Schleuse" wurden auch der "Sonnin-" und der "Victoriakanal" angelegt. Die Bille wurde vor dem Tidenhub der Elbe durch die Brandshofer Schleuse (sie wurde bereits 1625 - 1626 erbaut) abgeschirmt. Die Besiedelung startete sowohl von der Innenstadt als auch vom "Grünen Deich" aus. Die ersten sechs Häuser wurden 1845 an der "Amsinckstraße" Ecke "Woltmannstraße" errichtet, weitere sieben entstanden an der Ostseite der "Repsoldstraße" und zwei an der "Sonninstraße". Die Besiedelung setzte nach Ende der Torsperre 1860 verstärkt ein. 1870 war der größte Teil des Inneren Hammerbrooks bebaut und um die Jahrhundertwende war die Bebauung fast vollständig abgeschlossen. Der Äußere Hammerbrook (östlich der Bahnstrecke Berliner Tor - Rothenburgsort) wurde erst nach 1875 erschlossen; das Gebiet östlich des "Borstelmannswegs" gar erst zu Beginn der 1930er Jahre. Die Industrieansiedlung Hammerbrooks begann nach dem Zollanschluß 1888. Der berühmte Hamburger Stadtbaumeister Alexis de Chateauneuf (1799 - 1853) hatte ursprünglich angeregt, die Bebauung nach Amsterdamer Vorbild mit einem Abstand von 10 Metern zum Kanalufer zu errichten und eine Einheit von Bauhöhe, Bauflucht, Außenfassade und Dachform zu wahren sowie eine Rechtwinklichkeit der Straßenzüge zu den Kanälen. An der "Süderkaistraße" Ecke "Gustavstraße" waren um die Jahrhundertwende Häuser nach dieser Überlegung mit abgerundeten Ecken ausgeführt worden. Jedoch war die Gesetzeslage zu dieser Zeit so, daß jeder, der Bauland besaß, so bauen konnte, wie es ihm zusagte und er das gesamte, ihm gehörende Areal, nach seinem Gutdünken gestalten konnte. Es gab keine besonderen baulichen Vorschriften. Darum konnte sich die Stadt Hamburg mit ihren Plänen zur Einheitlichkeit nicht durchsetzen. So entstanden zwar Häuser, die etwas besser waren als die abbruchreifen Hütten, aus denen die Menschen hierher umzogen, aber in Hinsicht auf Komfort oft nicht das Nonplusultra darstellten.
Doch im Laufe der Zeit zeigte sich, daß Hammerbrook keineswegs geräumiger oder hygienischer war als die anderen, vorher entstandenen Stadtteile. Es gab kaum Grünflächen, aber sehr viel Industrie. Zudem wurden die Häuserzeilen durch die verschiedensten Bahnanlagen zerschnitten: neben der Hochbahn gab es noch den parallel verlaufenden Lübeck - Büchener Güterbahnhof in Straßenebene sowie den auf dem zugeschütteten Niedrigwasserbassin errichteten Bahndamm der verlegten Berliner Bahn ab zirka 1901. Der "Stadtdeich" war bereits um 1840 durch den Bau der "Berliner Bahn" vom übrigen Hammerbrook abgeschnitten worden. Hammerbrook war ein Arbeiterstadtteil, dessen Bevölkerung arm war und der kaum besonders architektonisch bedeutsame Gebäude besaß. Hier zog man nicht unbedingt freiwillig hin, sondern, weil es nicht anders ging und man sich eine Wohnung in den "besseren" Stadtteilen wie Eppendorf oder Winterhude nicht leisten konnte, von den Gegenden wie Rotherbaum und Uhlenhorst einmal ganz abgesehen. Im Volksmund hieß Hammerbrook daher auch "Klein Mecklenburg" (unter anderem wegen der vielen Zugereisten aus dem Mecklenburgischen, etliche kamen aber auch aus anderen Gegenden Deutschlands) oder auch "Jammerbrook". Es gab ein Elektrizitäts- und ein Gaswerk sowie eine Badeanstalt. Die Badeanstalt war nicht nur zum Vergnügen der Hammerbrooker gebaut worden, sondern bot in erster Linie den Bürgern die Möglichkeit, sich zu waschen, da viele Wohnungen kein Badezimmer besaßen. Daneben gab es am Billbrack ein Freibad, an dessen südlicher Seite die Hochbahn und die ehemalige Berliner Bahn entlangführten, also eine nicht sehr idyllische Lage. Weiterhin siedelten sich in Hammerbrook unter anderem eine Waggonfabrik, Gewürz-, Getreide- und Reismühlen sowie Brennereien, Sägewerke, Kistenmacher und Kafferöstereien und noch viele andere Betriebe an. Üble Gerüche blieben bei so vielen verschiedenen Industriebetrieben nicht aus. Viele Waren oder Rohstoffe wurden auf dem Wasserweg transportiert. Als ein besonders anschauliches Beispiel für die architektonische Fehlplanung in Hammerbrook kann man vielleicht die sogenannten Schlitzbauten ansehen, die es an verschiedenen Stellen gab. Das waren "die langzeiligen Terrassen mit den kleinen zweistöckigen Wohnhäusern. Jedes Haus hatte sechs Wohnungen, von denen jede zwei kleine Zimmer und eine nur acht Quadratmeter große Küche hatte. Hätte man in diesen Terrassen auf den Fahrweg verzichtet und hätte an seine Stelle eine Baumreihe gepflanzt, so wäre eine derartige Terrassenwohnung die ideale Bleibe für ein kinderloses Ehepaar gewesen (...) . Die kleinen, aber dafür billigen Wohnungen waren weniger zu beanstanden. Zu beanstanden war lediglich der Zustand zwischen den Hinterfronten der betreffenden Häuser. Von den angeführten Terrassen gab es sechs in Hammerbrook. Sie verbanden die "Wendenstraße" mit der parallellaufenden "Sachsenstraße". Zwischen den ohnedies kahlen Hinterfronten der insgesamt zwölf Häuserzeilen war ein Abstand von nur 1 1 / 2 m. Man wird sich ausmalen können, wie beengt und traurig die Hofverhältnisse gewesen waren, wenn man bedenkt, daß nur für wenige Augenblicke die Sonne in diese Trostlosigkeit eindringen konnte. - Die genannten Häuserzeilen wurden um etwa 1880 erbaut." (aus Hermann Hinrichsen: "Die Bille mit ihren Hamburger Wohnvierteln - Wandlung eines alten Flußidylls", S. 134 - 136.) Ähnliche Bauten gab es zum Beispiel auch an der "Idastraße" östlich der Hochbahnhaltestelle Süderstraße. - Die jahrhundertelang angewendete Praxis, die Gebäude besonders eng zu bauen, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, wurde auch in Hammerbrook umgesetzt. Durch den Abriß der Bebauung der Kehrwieder - Wandrahm - Insel in den 1880er Jahren (dort entstand die Speicherstadt), verkleinerte sich das Katharinenkirchspiel erheblich und der Bereich Hammerbrook wurde, obwohl sehr weit entfernt, neuer Bestandteil dieser Gemeinde. Diese Maßnahme beflügelte die Bautätigkeit im Inneren Hammerbrook, der vorher eher gemächlich verlaufen war, endgültig. Anfang Juni 1899 wurde in der "Hammerbrookstraße", Ecke "Norderkaistraße" mit dem Bau der St. Annenkirche begonnen, die der Katharinenkirche angeschlossen war. Sie wurde am 26. November 1901 geweiht. Beim Bau der Kirche wurden die dortigen Behelfsheime, die nach dem Großen Brand entstanden und den obdachlos gewordenen Hamburger Familien einen Unterschlupf bieten sollten, abgerissen. Obwohl sie provisorischen Charakter hatten, blieben sie dennoch bis zu fünfzig Jahre bestehen! Das von der Hochbahn am Nordrand erschlossene Rothenburgsort hatte eine ähnliche Entwicklung wie Hammerbrook durchgemacht, war 1894 als Hamburger Stadtteil anerkannt worden und konnte bis zur Kriegszerstörung mit dem Inneren Hammerbrook zusammen als Schwesternviertel angesehen werden.
Im Hamburger Fremdenblatt stand am 26. Juli 1915, einen Tag vor der offiziellen Eröffnung der Hochbahn - Zweiglinie: "Während von der Straße aus die langen Straßenzeilen mit den hochragenden Wohnhäusern, das Gewirr der Eisenbahnanlagen mit der Masse der Güterwagen und rangierenden Züge, die qualmenden Schornsteine der zahlreichen Fabriken dem Auge seinen besonderen ästhetischen Reiz bieten, wandelt sich dieses Bild, wenn es vom dahingleitenden Zuge geschaut wird. Dann verschwindet das einzelne unschöne Bild in dem großen Rahmen, welches das gewaltig flutende Leben eines Industrieviertels bietet. Aber auch das neue Bauwerk selbst hebt mit seinen gefälligen Bahnhofsbauten, ja sogar mit dem Unterbau der Bahnstrecke, das Stadtbild." Ein weiterer Ausschnitt, diesmal aus der Hammerbrooker Zeitung vom 27. November 1902, zeigt sehr gut eine andere, aber sicherlich auch typische Situation in Hammerbrook um die Jahrhundertwende auf: "Die Seufzerallee: Wenn uns der Name "Seufzerallee" auch zur Genüge verrät, daß nicht etwa die "Seufzerbrücke" in der herrlichen Lagunenstadt im fernen Italien gemeint ist, so dürfte es doch nicht allgemein bekannt sein, daß diese Bezeichnung eine Straße des nordischen Venedigs, also Hamburgs, im Volksmund nicht mit Unrecht führt. Wie im Mittelalter arme Sünder auf ihrem Todesgange ihre letzten Seufzer der erwähnten venezianischen Brücke anvertrauten, so hört man jetzt in der "Seufzerallee", oder wie sie offiziell genannt wird "Billstraße", auch manche Seufzer, mag er nun von dort promenierenden Liebespärchen herkommen, oder von solchen, die bei einer Kollision mit dort zu weilen herumstreifenden Gesindel den Kürzeren ziehen, wer mag das entscheiden? Zu sehen ist nichts, denn Straßenlaternen in genügender Zahl glänzen in der Billstraße nur durch ihre Abwesenheit. Möchten die Klagen über die unhaltbaren Zustände in der Billstraße an zuständiger Stelle bald gehört werden." Weiter zu Gleis 2.2 - Erste Verkehrsmittel |
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Erstellt seit: Januar 2001
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