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Gleis 2.8: Das Projekt der Billbrooklinie |
Im Bereich der Hochbahnstrecke vom Hauptbahnhof nach Rothenburgsort gab es Anfang des 20. Jahrhunderts drei verschiedene Planungen von weiteren Linien. Auf sie wird nachfolgend eingegangen. Während die Planung der Freihafen - Hochbahn schon verhältnismäßig weit gediehen war und die neuerbauten Brücken im geplanten Verlauf der Trasse bereits für den gedachten späteren Bahnbetrieb hergerichtet wurden, kränkelte das Projekt einer Bahnverlängerung von Rothenburgsort aus. Ursprünglich war ja geplant, die Strecke ab Rothenburgsort zur am 01. Oktober 1902 im ersten Abschnitt eröffneten südlichen Güterumgehungsbahn zu führen und dann anschließend an deren westlicher Seite bis zur Lübecker Bahn bei Hasselbrook und dann parallel zur Stadt- und Vorort- (S -) Bahn bis nach Barmbek zu verlängern ("äußerer Ring"). Jedoch um 1912 wurde diese Linienführung insgesamt aufgegeben. Die Rothenburgsorter Zweiglinie sollte nun in das Gewerbegebiet Billbrook und von dort aus nach Bergedorf (!) verlängert werden. Billbrook sollte zukünftig ein kombiniertes Wohn- und Industriegebiet werden und durch die Hochbahn eine schnelle Verbindung in die Innenstadt bekommen. Für die Führung der Strecke in Billbrook gab es mehrere Varianten, die von der HHA, vom Hamburger Senat und von der Baudeputation favorisiert wurden; eine Einigung wurde jedoch nicht erzielt. Hinzu kam, daß im Bereich Tiefstack mehrere Kleinbahnen, darunter die Billwerder Industriebahn und die Hamburger Marschbahn ihren Anfang erhielten, die vom Hamburger Staat finanziell unterstützt bzw. von ihm gebaut und die durch die geplante Hochbahn in ihrer Existenz bedroht wurden. Die Billwerder Industriebahn wurde zwischen Tiefstack und Billbrook am 01. August 1907 eröffnet und die Südstormarnsche Kreisbahn zwischen Tiefstack und Trittau am 17. Dezember 1907. Die Hamburger Marschbahn nahm am 01. Oktober 1928 den vollständigen Betrieb bis nach Billbrook auf. Außerdem gab es noch Planungen, diese Kleinbahnen bis nach Rothenburgsort zu verlängern und dort eine Umsteigemöglichkeit zur Hoch- und Straßenbahn zu schaffen. In Tiefstack war zeitweilig ein sechsgleisiger Bahnhof geplant, von denen jeweils zwei Gleise den Kleinbahnen, zwei der Hochbahn und zwei der Vorortbahn dienen sollten. Der Haltepunkt Tiefstack wurde für die Vorortbahn nach Bergedorf am 01. Oktober 1907 eröffnet. Hinter der Kehranlage in Rothenburgsort wurde nach 1921 für die Hochbahn ein Damm entlang der Reichsbahn Richtung Tiefstack geschüttet, der schließlich als Zufahrt zur später gebauten Wagenhalle genutzt wurde. Am Tiefstackkanal entstanden zwei Brückenpfeiler, die noch heute existieren. Die Hochbahnstrecke nach Billbrook beziehungsweise Bergedorf wurde jedoch weder im Rohbau fertiggestellt noch eröffnet. Nachfolgend habe ich einige markante Projektvarianten der Hochbahn nach Billbrook aufgeführt, chronologisch nach Jahreszahlen geordnet, um einen kleinen Einblick in den Planungsdschungel zu geben. Alle gefundenen Planungen wiederzugeben war nicht möglich, ohne den Faden zu verlieren!
Am 04. November 1915 schreibt die Senatskommission: " (...) wenn daher der Plan einer baldigen Aufschließung des Billbrooks durch eine Hochbahnlinie verwirklicht werden sollte, so kann höchstens die gelb dargestellte Linie ABE" (von den drei möglichen ABC, ABD und ABE, siehe den oberen Plan) "in Frage kommen (...) Gleichfalls wäre eine Ergänzung des Straßenbahnnetzes durch eine Linie über Billwärder-Ausschlag nach Billbrook erwünscht und anzustreben (...) Eine Hochbahn in dieses Gebiet zu führen kann nur befürwortet und gerechtfertigt werden, wenn gleichzeitig die Verlängerung derselben bis Bergedorf erfolgt. Ob zur Verfolgung dieses Projektes aber zurzeit Geneigtheit besteht, ist mindestens zweifelhaft (...)". 1915 / 16 wurde der Entwurf eines Vertrages über den Betrieb der Billbrooklinie vorgestellt (Billbrookvertrag). Am 01. Februar 1916 wurde die Empfehlung gemacht, die Strecke nach Bergedorf aus Ersparnisgründen nur bis zur Wöhlerstraße zu bauen. 26. Juni 1916 - Entwurf einer Konzessionserteilung der HHA zu den Betriebsbestimmungen des Betriebsvertrages vom 25. Januar 1909. Unter Punkt 7 wird aufgeführt: "Der Staat wird der HHA den Platz für die Errichtung eines größeren Betriebsbahnhofes in Rothenburgsort, welcher außer für die Aufstellung von wenigstens 200 Wagen für die erforderlichen Betriebsräume Platz bietet, auf die Dauer der Konzession des Hauptvertrages kosten- und mietefrei zur Verfügung zu stellen und zur Bebauung 18 Monate vor Inbetriebnahme der Bahn überweisen". Weiterhin wünschte die HHA auf der gesamten Strecke Mittelbahnsteige, Kehrgleise in Rothenburgsort (?) und daß das Gelände für eine dritte Bahnsteigkante in Rothenburgsort freigehalten wird. Am 31. Juli 1916 wurde ein Kostenanschlag bekannt (siehe den unteren Plan), nachdem die Strecke von Rothenburgsort bis zur Wöhlerstraße gesamt etwa 2.345.627,52 Mark kosten sollte!
1916 - Es ist die Beschaffung von 20 Hochbahnwagen geplant, von denen einer angenommen etwa 60.000 Mark kostet. Die Bahn läuft auf Risiko des Staates, nicht auf das der Hochbahn. Die HHA plant, für die Billbrooklinie eine 4. Zone einzurichten, was der Staat jedoch ablehnt, da dies die Strecke unattraktiv macht. Die Tarifgestaltung soll nicht im Billbrookvertrag verankert werden. 04. September 1916 - Baudirektor Sperber befürwortet eine selbständige Strecke nach Billbrook ohne Gleisverbindung in Rothenburgsort. Dazu sollten dort die Bahnsteige verbreitert, in den Glaswänden der Halle je eine Pendeltür eingesetzt und ein Bahnsteiggleis (oder besser zwei) vorgesehen werden. Es sollten 10 Wagen beschafft werden und die anschließende Zweiglinie über Hauptbahnhof hinaus verlängert werden, da das zweimalige Umsteigen bis in die Innenstadt den Fahrgästen nicht zugemutet werden könne. Am 09. Februar 1917 kam folgender Plan auf:
1917 - Bericht der Baudeputation: Die Ausführung der Strecke nach Billbrook werde sehr teuer sein und eine Rentabilität sei auf lange Zeit nicht absehbar. Die Ausführung sei während des Krieges nicht möglich. Die Durchführung des Betriebes könne am ehesten die HHA übernehmen, jedoch stelle die HHA Bedingungen, die für den Staat außerordentlich ungünstig seien. Es werde überlegt, ob die Billwerder Industriebahn die Anbindung nach Rothenburgsort übernehmen könne. Der Direktor der Billwerder Industriebahn, Herr C. O. Gleim, hält seine Bahn für geeignet, den Verkehr von Billbrook zu übernehmen, wenn sie bis Rothenburgsort verlängert werden würde. Eine Hochbahn auf eigenem Gleiskörper könne sie jedoch nicht ersetzen, da der Güterverkehr zu umfangreich sei. Die Billwerder Industriebahn könne auf jeden Fall billiger und schneller als die Hochbahn gebaut werden. 05. April 1917 - Protokoll der Baudeputation: Die Verhandlungen mit der HHA hätten zu keinem annehmbaren Ergebnis geführt. Der Staat baue daher die Strecke selbst. Der Umsteigeverkehr in Rothenburgsort sei für die Fahrgäste nicht annehmbar; eine Durchführung der Züge setze aber eine Einigung mit der HHA voraus. Denkbar sei eine provisorische Verbindung mit Billwerder unter Benutzung des vorhandenen Gleises der Billwerder Industriebahn. Die Billbrooklinie eigne sich nicht für eine Verbindung nach Bergedorf, da die Zweiglinie zum Hauptbahnhof wegen der engen Kurven nicht leistungsfähig genug sei. Besser sei es, diese Strecke an eine neu zu bauende Linie nach Horn anzuschließen. Der Senat habe die Verbindung nach Bergedorf nicht beantragt, sondern nur angedeutet (!). Vorgesehen für das Streckenstück der Billbrooklinie seien zwei Haltestellen: Tiefstack und am Industriebahnhof Billwerder (Endstation). Gesamtlänge: ca. 3,35 km.
15. Oktober 1919 Die Senatskommission berichtet: " (...) Die drei Projekte sind durch rote, lila und lila gestrichelte Linien gekennzeichnet, die Senatskommission hat sich in der Sitzung vom 18. 12. 1915 für die rot gezeichnete Trasse entschieden. Diese ist alsdann vom Senat der Bürgerschaft zur Mitgenehmigung vorgeschlagen. Die Hochbahn hat zwei Linienführungen vorgeschlagen (gelb und gelb gestrichelt). Die gelbe stellt eine endgültige Ausführung dar, während die gelb gestrichelte ein Provisorium unter Benutzung der Billwerder Industriebahn vorsieht (...) . 20. April 1921 Brief der HHA an die Senatskommission: "(...) Wir gestatten uns aber darauf aufmerksam zu machen, daß eine wesentlich dringlichere Bauaufgabe durch die Billbrooklinie als durch die Strecke nach Groß Borstel erwachsen dürfte, deren Dammschüttung zwischen Rothenburgsort und Tiefstack alsbald ausgeführt werden könnten (...) ." 12. Juli 1921 Brief der "Bergedorf - Geesthachter Eisenbahn" (BGE) an die HHA: " (...) Wir bedauern daher, unser Einverständnis zu Ihrer künftigen parallel zu unserer Bahn hochgelegenen Linie auf Dammschüttung nicht geben zu können (...)". (Die BGE war am 21. Mai 1921 mit der "Hamburger Marschbahn" verbunden worden, die Fusionierung erfolgte jedoch erst 1942.) 14. Juli 1921 Bericht der Baudeputation: " (...) Es wäre zweifellos verkehrstechnisch ein großer Fehler, wolle man die Hochbahnlinie nach dem Plane der Hochbahn von Rothenburgsort nach dem nördlichen Billbrook führen (...)". 04. August 1921 - Beschluß der Baudeputation: Ablehnung der Einrichtung einer Hochbahnlinie im nördlichen Billbrookgelände. Die Hochbahn verhindere Gleisanschlüsse und der Betrieb führe zu Gefahren. Geplant war, daß die Hochbahn aus Kostenersparnisgründen die Gütergleise der Billwerder Industriebahn mitbenutzen sollte. Das war technisch nicht ausführbar, da dann niveaugleiche Kreuzungen mit Straßen vorhanden sind, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit (Stromschienen!) nirgendwo geduldet werden könnten. Die "Hamburger Marschbahn" habe sich bereit erklärt, den Personenverkehr zwischen Billbrook, Tiefstack und Rothenburgsort zu übernehmen. Ihr sei die Durchbindung bis Rothenburgsort vertraglich zugesichert worden. Sie werde vom Staat finanziell gefördert. Die Hochbahn würde Verkehr von ihr abziehen und sie dadurch unrentabel machen. September 1921 - Die Hochbahn würde bei einem Betrieb nach Billbrook staatliche Zuschüsse benötigen. Direktor Stein hält die Bahn für unrentabel und nicht bauwürdig. Das Projekt wird zu den Akten gelegt. Es wurde schließlich keine der vorgenannten Kleinbahnen bis Rothenburgsort verlängert. Das Einzige, was verwirklicht wurde, war die Verlängerung der Straßenbahnstrecke nach Billbrook 1930. Es gab Übergangsfahrscheine zwischen der Straßenbahn und der Marschbahn.
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